Ursprüngliche Ansicht darstellen: ***AUFNAHME EINES NOTFALLKANINCHENS - WAS MUSS BEACHTET WERDEN?***

Susanne
geschrieben am 28.08.2008 um 03:18 Uhr
In letzter Zeit häufen sich Meldungen sogenannter Notfälle. Daraus ergeben sich oft Hilferufe von Vereinen, Organisationen und privaten Personen, die um Mithilfe bitten. So manch einer hat vielleicht schon öfter überlegt und möchte seine Hilfe anbieten, doch Unsicherheit, wenig Erfahrung und kaum Hilfestellung lassen manchen zurückschrecken. Aus aktuellem Anlass möchten wir aufklären, wie sich zu verhalten ist und Hilfe auch sinnvoll angeboten werden kann, denn dies ist nicht ganz so einfach, wie man sich das denken möchte.

Zunächst einmal gilt: ob aus privater Hand aus Mitleid übernommen, Fundtier oder aber aus einem gemeldeten Notfall - Sicherheitsmassnahmen wie Quarantäne, Hygiene und Tierarztbesuche sollten immer eine vordergründige Rolle spielen. Zum Schutz der eigenen, im Haushalt lebenden Tiere.

Was ist ein "Notfall"?
Meist handelt es sich um Fälle von Zuchtauflösungen, Meldungen von Anwohnern oder auch Zufall, dass tierquälerische Zustände an einen Verein oder eine Organisation gemeldet werden. Diese organisieren oftmals auch in Zusammenarbeit mit der Polizei und Veterinärämtern eine Abholung der Tiere und Überbringung in Pflegestellen. Daraus resultieren Aufrufe zur Hilfe, denn Vereine und Organisationen verfügen meist nicht über soviele Pflegestellen, wie erforderlich sind. Oftmals handelt es sich um mehr als 50 Tiere, auch Notfälle mit mehr als 200 Tieren sind inzwischen leider keine Seltenheit mehr. Hinzukommen die zufälligen Entdeckungen sog. "Tiermessis" - Menschen, die glauben, etwas Gutes zu tun, Tiere sammeln, obwohl sie selbst mit sich und dem Leben vollständig überfordert sind.

Viele der größeren und bekannten Organisationen arbeiten hier oft Hand in Hand, doch das reicht eben nicht immer. Bedauerlich ist, dass oft keine Zeit bleibt oder aufgrund der schnellen Organisation die Hilfestellung für die auf der Strecke bleibt, die unerfahren ihre Hilfe anbieten und dann allein vor einer sehr belastenden Situation stehen.

Das Notfalltier
Bitte seid Euch im Klaren darüber, dass es sich um Tiere aus extrem schlechter Haltung handelt und allein der Anblick oftmals eine Herausforderung ist. Hysterie & Ekel sind hier fehl am Platze, denn diese Tiere brauchen wirkliche Hilfe. Wer hier schon schwache Nerven hat, sollte es bleiben lassen, denn so etwas ist emotional sehr belastend und hilft niemandem, wenn man anschliessend Alpträume hat.

Die Regel ist, dass die Tiere

- infektiös verseucht sind (Kokzidien, Würmer, Flöhe, schwerster Kaninchenschnupfen)
- schwere Verletzungen aufweisen (Bisswunden, halbe Ohren, zerbissene Pfoten, abgebissene Blumen, Fleischwunden, Abszesse)
- Hautpilz, Tumore, Milben haben
- unterernährt sind, bis zur lebensbedrohlichen Abmagerung
- überlange Krallen und Zähne haben
- wunde Läufe aufweisen
- E.Cuniculi unbehandelt
- blind, taub sind
- Rammler fast immer unkastriert sind
- Häsinnen aller Wahrscheinlichkeit nach trächtig sind
- Missbildungen aufgrund von Inzucht aufweisen (3 Läufe, keine Ohren, nur ein Auge etc.)
- innerorganische Probleme, die nicht auf den ersten Blick erkennbar sind (z.B. Lungenabszesse)

Diese Tiere haben meist ein jahrelanges Martyrium hinter sich, so dass in jedem Fall allerhöchste Sensibilität im Umgang mit Fütterung und Handhabung zu leisten ist (z.B. anfassen - viele Tiere sind bissig, da sie geschlagen wurden). Auch mit noch so großem Einsatz ist manch ein Tier nicht mehr zu retten und die letzte Hilfe bedeutet auch, das Leiden zu beenden. Bitte keine Behandlungen bis zur Quälerei.

1. Auch wer nur einen Käfig bieten kann - für den Übergang ist alles besser, als das wo die Tiere bisher gelebt haben. Ein Dauerzustand ist das natürlich nicht.

2. Rammler müssen kastriert werden, Häsinnen werfen u.U. mehrere Junge und die Behandlung der vielfältigen Krankheiten erfordern eine Menge Zeit. Kann man das leisten? Ist das mit Familie und Job vereinbar?

3. Selbst ein kleines Kaninchen kann bis zu mehreren hundert EUR mit Behandlung und Medikamenten kosten. Eine Übernahme der Kosten durch den organisierenden Verein ist meist nicht möglich. Gibt die eigene Kasse das her? Selbst bei Vermittlung nach der Genesung des Tieres ist eine Schutzgebühr von mehr als 50 EUR nicht drin. Somit stehen Kosten gegen Einnahmen in keinem Verhältnis. Kann man sich das leisten?

4. Ist klar, dass das Tier nach Abschluss der Behandlung vermittelt wird? Die kleinen Patienten wachsen einem sehr schnell an's Herz. Noch dazu, wenn man "gemeinsam" soviel durchgemacht hat. Es hat oft partnerschaftliche Auseinandersetzungen gegeben, weil man sich nicht einig war. Das sollte vermieden werden.

5. Was geschieht, wenn das Tier so krank ist und auch bleiben wird, dass es nicht vermittelbar ist - also ein sog. Gnadenhoftier? Kann es bei Euch einen Platz auf Lebenszeit haben und auch einen Partner bekommen, der seiner Krankheit angemessen ist? Das Tier sollte nicht zum "Wanderpokal" werden.
Susanne
geschrieben am 28.08.2008 um 03:46 Uhr
Nachdem diese Fragen in Ruhe geklärt werden müssen, stehen nun die Versorgung und Unterbringung des kleinen Patienten an. Wichtig ist, sich darüber im Klaren zu sein, dass man einiges vorbereiten muss. Die Sicherheit der eigenen im Haushalt lebenden Tiere darf nicht gefährdet werden. Infektionskrankheiten können schnell auch durch den Menschen verbreitet werden (z.B. Kokzidien). Somit bedarf es hier auch äusserster Sorgfalt.

1. Unterbringung in einem separaten Raum

2. Eigene Näpfe und Futterschalen, Raufen, Klo's etc.

3. Häufige gründliche Reinigung mit einem tierverträglichen Desinfektionsmittel - übliche Haushaltsreiniger sind nicht nur nicht wirksam gegen Kokzidien etc. sondern auch schädlich für die Tiere!

4. Sämtliche bei diesen Tieren benutzte Wäsche (Handtücher, Flickenteppiche) wie auch die eigene Kleidung muss mit Wäschedesinfektion gewaschen werden und darf nicht mit den eigenen Tieren oder Kleinkindern in Berührung kommen. Einrichungsgegenstände des Geheges müssen heiss abgewaschen und desinfiziert werden. Händewaschen und Kleiderwechsel vor dem Umgang mit den eigenen Tieren ist Pflicht!

5. Umgehende Vorstellung beim Tierarzt sowie die Abgabe einer Kotprobe bringen den ersten Aufschluss über den Zustand und die einzuleitenden Behandlungsmassnahmen.

6. Niemals eigene Behandlungen einleiten und Medikamente verabreichen, wenn man damit keine Erfahrung hat! Kamille ist z.B. für Kaninchenaugen schädlich! Sie trocknet das Auge aus. Wenn also erste Säuberungen vorgenommen werden sollen, so ist dies mit lauwarmem klarem Wasser durchzuführen.

7. Eine sehr sehr sanfte Futterumstellung muss vorgenommen werden, denn diese Tiere sind jahrelang miesestes Futter gewohnt. Daher muss eine Packung übles Futter vorhanden sein und vorläufig weiter gegeben werden. Auch der gut gemeinte übervolle Teller mit frischem Gemüse kann böse Folgen haben! Aufgasungen und Durchfall können die Folge sein. Besser sind ein kleines Stück Karotte, Apfel und Fenchel - dies wird in der Regel sehr gut vertragen. Dennoch kann es Tage dauern, bis sich die Tiere dort rantrauen, da sie dies meist noch nie im Leben gesehen haben. Heu sollte angeboten werden, dennoch ist im ersten Moment nicht damit zu rechnen, dass es gefressen wird. Geduld ist hier ein guter Berater. Generell gilt: niemals Trockenfutter und Frischfutter gemeinsam anbieten - auch hier können Verdauungsprobleme und Durchfall die Folge sein!

8. Transportboxen sollten keinen festgeklebten Teppich oder Drybeds enthalten. Besser sind alte Frotteehandtücher, die nach dem Transport entsorgt oder mit Wäschedesinfektion gewaschen werden müssen, die Box selbst heiss abspülen und desinfizieren.

9. Einige kleine Dinge für die Behandlungen sollten vorhanden sein, sie werden auch meist nicht vom Tierarzt mitgegeben: Kompressen (nach der Behandlung entsorgen - Baumwolltücher, Tempos etc. sind nicht geeignet und die Bakterien sitzen dort fest), Bepanthen Wund- und Heilsalbe, Babybrei, Paraffinoel, Einmalhandschuhe, Desinfektionsmittel.

Vorbehaltlich Ergänzungen sollte es das für's Erste gewesen sein und wir hoffen, damit nicht nur deutlich gemacht zu haben, was Euch erwarten kann, sondern auch eine Hilfestellung bei der Handhabung "Eures" Notfalles ist.

Viel Glück!
FlockiSocki
geschrieben am 28.08.2008 um 15:52 Uhr
DANKE!!!!!!

Ich bin gerüstet... es kann los gehen! *schwitz*

Vielen Dank für diese Mitteilung von Dir und für Deine Hilfe!!

Ein Frage hätte ich noch:

Wenn ich mir die Hände mit Sagrotan einsprühe und danach mit Arztseife wasche, kann ich dann meine wieder anfassen (natürlich mit vorher gewechselter Kleidung)?

Weil Du geschrieben hattest, dass die handelsüblichen Desinfektonsmittel, diese Art von Bakterien und Viren nicht abtöten.

Nehme ich dann für mich auch das von Canina?

Vielen Dank

LG Kathi
Hexe
geschrieben am 28.08.2008 um 16:09 Uhr
Das von canina ist auch für den Menschen und dessen Kleidung geeignet
FlockiSocki
geschrieben am 28.08.2008 um 16:12 Uhr
Also auch für mich kein Sagrotan nehmen?
Hexe
geschrieben am 28.08.2008 um 16:19 Uhr
Ich würde das Capha Desclean benutzen...
FlockiSocki
geschrieben am 28.08.2008 um 16:25 Uhr
Ok, dann wird das auch noch gekauft!

Danke
Hexe
geschrieben am 28.08.2008 um 16:29 Uhr
Würde ich auch, denn das Mittel kannst du wirklich für fast alles nehmen. Wenn ich eine VG mache sprühe ich alles damit ein... Jedoch würde ich dir für deine Hände ein einfaches Sterillium empfehlen. Gibt es in jeder Apotehke.
Sylke
geschrieben am 28.08.2008 um 17:25 Uhr
Für´s Gehege nehme ich Capha DesClean von Canina, für die Hände Desderman N und für die Klamotten Wäschesagrotan. Was sich in der Maschine kochen lässt (Handtücher o.ä.) wird gekocht.

Gruß Sylke
FlockiSocki
geschrieben am 28.08.2008 um 17:30 Uhr
Wo bekomme ich Desderman N?

Den Rest hab ich schon gekauft....


Noch eine kurze Frage:

Wenn ich die Klamotten wechsle und dann runter gehe- muss ich dann direkt duschen?
Setzen sich die "Biester" z.B. in den Haaren fest?

Will echt nicht, das sich meine anstecken und deshalb schon vorab alles ausschließen..

danke
Susanne
geschrieben am 28.08.2008 um 17:32 Uhr
Kleidung wechseln und Händewaschen bzw. desinfizieren genügt - Du musst nicht jedesmal duschen
FlockiSocki
geschrieben am 28.08.2008 um 17:38 Uhr
Ok, danke

Buddelkiste nein, oder?

Desderman N krieg ich wo?
Sylke
geschrieben am 28.08.2008 um 17:43 Uhr
Ein gutes Desinfektionsmittel für die Hände bekommst Du in der Apo.

Gruß Sylke
FlockiSocki
geschrieben am 28.08.2008 um 17:59 Uhr
Danke, wird besorgt!!!
PoFi
geschrieben am 05.10.2008 um 16:26 Uhr
Jep; mindestens eine, besser zwei Wochen. Erst dann kann man daran denken sie mit anderen zusammen zu führen...

In dieser Zeit sollte der Kot (Festigkeit & Farbe) und das Verhalten (evtl. Epilepsie, Bewegungsvermögen, Sehkraft o.Ä.) der Tiere beobachtet werden. Auch eine Gewichtskontrolle kann helfen eine Erkrankung zu erkennen (starke Schwankungen sind nie gut).


Ich denke; das wäre vielleicht noch wichtig zu erwähnen. Wollt halt auch mal was kluges sagen...
JaniPanther
geschrieben am 25.04.2009 um 12:22 Uhr
Danke, ihr habt mir echt geholfen, jetzt fühle ich mich nicht mehr so unsicher, wenn der Kleine bald bei mir einzieht.

Der Kleine( er ist zwar schon etwas älter aber meine Nins sind alle meine "Babies" :P ) ist nicht kastriert, total übergewichtig, kennt kein Sonnenlicht, kann sich in seinem "Käfig" einmal drehen wenn's hochkommt und kennt KEIN Heu. Ich habe ihm jetzt schon mehrfach verschiedene Heusorten angeboten, aber er nimmt sie einfach nicht an! Was soll ich machen?

Ich muss ihn natürlich kastrieren lassen und dann kommt die Quarantäne. Kann ich neben der Kastra auch gleich impfen lassen & Kokzidien behandeln? Oder muss ich das nacheinander machen lassen?
Ist es egtl. zu viel Stress wenn ich mit ihm 30-45min. zum tierarzt fahren muss? Bei usn in der Stadt sind nämlich nur, wie drücke ich das am besten aus, Tierärzte die egtl. so gut wie keine Ahnung von kaninchen haben.

Da meine Fragen ansonsten bezüglich des Desinfektionsmittels beantwortet wurden, war's das erstmal.
Ich hoffe ihr könnt mir ein bisschen helfen.
olafundlucas
geschrieben am 06.07.2009 um 23:47 Uhr
1. Biete ihm über 4-6 Wochen sein altes Futter an, welches du mehr und mehr absetzt und durch ständige Heugabe sowie langsame Gewöhnung an Frischfutter immer mehr ausweitest. Fange am besten mit Möhre, Apfel, Sellerie und Grünzeug (von Gemüse) an, aber bitte: ganz langsam, das ist sehr wichtig. Streue ihm über das Heu leckere Trockenkräuter oder biete ihm Agrobs oder Heucobs an. Sie werden in der Regel doch sehr gern genommen.

Grünzeug (Saftfutter) von der Wiese würde ich noch nicht anbieten, denn er ist noch nicht geimpft, das kannst du nachholen, wenn er seine Impfungen bekommen hat. (Myxo und RHD Gefahr droht hier und kann durch Frischfutter von der Wiese eingeschleppt und übertragen werden)

2. Er sollte sofort in Quarantäne, welche genügend Platz bietet um dir Vertrauen entgegenzubringen. Mach eine Kastratermin in einigen Wochen, zuvor ist aber wichtiger, dass eine Kotprobe abgegeben wird, welche negativ, also sauber ist. Hat er Kokies, bitte erst diese behandeln, erst wenn er sauber ist, würde ich ihn impfen lassen. 14 Tage später dann würde ich ihn kastrieren lassen (dann sind alle Impfnebenwirkungen völlig ausgeschlossen)

3. Tierarzttermine würde ich bei jetztigem Wetter immer in die Abendstunden verlegen. Ein Weg von 30-45 min ist durchaus lang, aber noch im Rahmen, wie ich finde, lieber ein weiter Weg zum TA als an einen Pfuscher zu geraten.

LG Andrea

Smile
geschrieben am 14.12.2009 um 20:35 Uhr
also der freilauf is jetzt erweitert worden auf insgesamt ich glaub so 3 auf 3 meter
Timo
geschrieben am 14.12.2009 um 20:44 Uhr
Es ist immer schön, Tiere aus dem Heim zu retten. Unsere 3 Schnuffelnasen kommen ja auch aus unserem örtlichen Tierheim.

Wie Olafundlucas schon geschrieben hat, brauchst du natürlich Platz. Desweiteren kommt hinzu, das sich 2 Tiere auch doppelt so viel Kosten bedeutet. Futter, Tierarzt etc.

Einfach so kannst du keine neuen Kaninchen zu deinen alt eingesessenen Setzen. Du musst sie erstmal in seperat halten, damit du sehen kannst, ob sie Gesund sind. Die meisten Tierheime reichen leider nur Trockenfutter, d.h. du musst sie erstmal langsam an Frischfutter und Heu umgewöhnen.

Wenn du schon 2 Weibchen hast, wäre es wahrscheinlich auch ratsamer, männliche Tiere dazu zu holen. Hier musst du auch wieder gucken, ob diese Tiere kastriert sind etc.

Vielleicht gibts du uns noch ein paar Infos, das wäre lieb.

LG Timo